Bürgerblatt-Jubiläum

Vor 70 Jahren begann die Erfolgsgeschichte „Selbitzer Bürgerblatt“ von der Selbitzer Firma Müller Fotosatz & Druck. Am 24. August 1950 erschien die erste Ausgabe und fortan wöchentlich – bis heute. Anfang ein Versuch zur Schaffung eines individuellen Heimatblattes, dass nicht das große Weltgeschehen in den Mittelpunkt stellt, sondern die „Weltneuheiten“ in und für Selbitz und der Außenorte; übrigens damals noch Marktgemeinde Selbitz/Oberfranken. Nach 70 Jahren ist aus dem Versuch ohne Frage eine Erfolgsgeschichte geworden. „Die Idee hatte unser Vater Rudolf aus der Heimat Ostpreußen mitgebracht“, erzählen die Söhne Johannes und Ernst Müller, die seit 1985 gleichberechtigt als Geschäftsführer agieren und um die Wichtigkeit vom „Selbitzer Bürgerblatt“ wissen. Zum Jubiläum gibt es eine Ausgabe der ersten vier Ausgaben in Zusammenfassung und im nostalgischen Look. Vorn drauf prangt da noch das alte Selbitzer Stadtwappen mit dem Lamm, dass sich später änderte: Die Hälfte zeigt das Stadtwappen des Markgrafen, die Vierung von Silber und Schwarz. Die linke Seite zeigt einen historischen Bockpfeifer auf rotem Hintergrund, stehend auf grünem Boden mit einem schwarzen Dudelsack (Bockpfeife). Unterschrieben hat das „Geleit“ mit den Erläuterungen, dass ein derartiges Blatt zu einem Band werden kann, dass alle Einwohner, ob Einheimische oder Flüchtlinge, Ausgewiesene oder Bombengeschädigte einander näher zu bringen vermag, der 1. Bürgermeister Weber. Das Format des Bürgerblatt, dass an 50 Wochen im Jahr erscheint, hat sich im Laufe der Zeit geändert, aus B5 ist A4 geworden, aus damals dünnem Zeitungspapier festes 80-Gramm-Offsetpapier. „Früher ist alles mit der Hand gesetzt und auf Buchdruckmaschinen gedruckt worden“, erzählt Ernst Müller und spricht von Buchdruck mit Bleisatz bis hin zum Offsetdruck. Ur-Selbitzer können mit der „Jubiläumsausgabe“ bestimmt einige Erinnerungen verbinden, wie etwa das wöchentliche Kino-Programm der „Capitol-Lichtspiele Selbitz“, dass in der heutigen Eisdiele in der Bahnhofstraße untergebracht war. Da liefen Filme wie „Die Große Nummer“, „Herr des Wilden Westens“ oder auch „Tag und Nacht denk´ ich an dich“. Verlobung war in den 1950er Jahren wohl eine wichtige Angelegenheit, zumindest lässt die Anzeige „Als Verlobte grüßen Renate Mrowetz, Lothar Sedello, 12. September 1950“ schließen. Viele der Geschäfte und Firmen von den gewerblichen Anzeigen wird es wohl nicht mehr geben, wie etwa Nikol Beyerlein, der damals schon 75 Jahre bestand und seine Kundschaft mit allen Lebensmitteln „immer gut und billig“ bediente. Vom Fass waren Kräuterlikör, Rum und Arrak wie auch Wermutwein und Weingeist zu haben. Beleuchtungskörper, Elektrogeräte und Motoren wie auch Rundfunkapparate konnten bei H. Adelt, Friedrich-Ebert-Platz 1 gekauft werden, zu haben in allen Preislagen und mit bequemer Ratenzahlung. Die Jubiläumsausgabe – eine Reise in die Vergangenheit. Übrigens wird das Selbitzer Bürgerblatt persönlich an der Haustür überreicht und abkassiert. „Wir haben 18 Austräger, die den Bezugspreis von monatlich 1,40 Euro kassieren“, erzählen die Brüder, die selbst in Jugendtagen als Austräger agierten. „Eine gute Möglichkeit das Taschengeld aufzubessern“, sagen sie schmunzelnd und wissen auch um die soziale Komponente. „Es gibt ältere Leute, die sehnsüchtig auf die Lieferung des Bürgerblattes warten und gerne ein Schwätzchen halten.“ Ab und an gibt’s kleine Dankeschön in Form von Geschenken, Weihnachten die Einladung zu hausgebackenen Plätzchen. Einfach in den Briefkasten stecken, geht nicht. „So lernen die jungen Leute auch gleich den Umgang mit Geld und auch, dass man für einen Verdienst etwas tun muss, dass Arbeit und Aufwand dahinterstehen.“ Die rührigen Geschäftsführer sprechen von einem Wachsen und Werden des Bürgerblattes mit amtlichen Nachrichten der Stadt Selbitz für die Bürgerinnen und Bürger und Vereinsnachrichten, sowohl als Ankündigung wie auch in der Nachberichterstattung. „Geblieben ist von der ersten Ausgabe bis heute der Schwarz-Weiß-Druck, gut Old Time oder auch nostalgisch“, meint Johannes Müller schmunzelnd. „Wir verdienen uns mit dem Bürgerblatt wahrlich keine goldene Nase, wie so mancher hinter vorgehaltener Hand munkelt“, betonen beide Geschäftsführer unisono und wissen auch von manch Ärger, ob nun durch Fehler im Druck oder durch Unzuverlässigkeit von Austrägern. „Aber wir sind mit Selbitz verbunden und das Bürgerblatt gehört zu Selbitz einfach dazu, deshalb wird es das Bürgerblatt auch weitergeben, was ja auch der Stadtrat durch einen Beschluss erst in jüngster Vergangenheit untermauert hat.“

Bild und Text von Sandra Hüttner

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Veröffentlichung

Selbitz
Mi, 26. August 2020

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